Seit 2024 gilt in Brasilien ein neues allgemeines Versicherungsrecht. Das Gesetz konsolidiert eine Vielzahl bestehender gesetzlicher Regelungen sowie etablierter Marktpraktiken und gilt, mit Ausnahme der Krankenversicherung , für alle Versicherungszweige.
Zahlreiche Bestimmungen bleiben jedoch unklar, sodass mit Auslegungsfragen zu rechnen ist, die entweder von der brasilianischen Versicherungsaufsicht SUSEP (Superintendência de Seguros Privados) oder im Rahmen von Gerichtsentscheidungen geklärt werden dürften.

Vor diesem Hintergrund möchten wir einige zentrale Punkte hervorheben:

Non-Admitted“-Verbot

Die Verpflichtung, Risiken in Brasilien ausschließlich über lokal lizenzierte Versicherer mit Sitz im brasilianischen Inland abzusichern, gilt unverändert. Brasilien bleibt damit ein sogenannter „Non-Admitted“-Markt, wie bereits durch das Gesetz Nr. 73/1966 (Art. 24 und 26), das brasilianische Zivilgesetzbuch (Art. 757) sowie die Vorschrift CNSP Nr. 451 vom 19. Dezember 2022 (Abschnitt II) geregelt.

Ausnahmen bestehen lediglich für Risiken, für die der lokale Markt nachweislich keine geeignete Deckung anbietet. Voraussetzung ist, dass das Risiko zuvor bei mehreren in der betreffenden Sparte aktiven brasilianischen Versicherern angefragt wurde. Weitere Ausnahmen gelten für Risiken, die im Rahmen internationaler Abkommen abgesichert werden z. B. bei Großprojekten im Infrastrukturbereich oder bei nuklearen Risiken.

Von besonderer Relevanz ist, dass auch sogenannte DIC- (Difference in Conditions)- und DIL- (Difference in Limits)-Deckungen ausdrücklich unter das Verbot fallen und somit ebenfalls unzulässig sind.

Vertragssprache

Nur in portugiesischer Sprache verfasste Versicherungspolicen gelten als rechtsverbindlich (Art. 48 §2 des Gesetzes Nr. 15.040/2024). Selbst einzelne Vertragsklauseln in einer Fremdsprache, wie z. B. eine Sanktionsklausel, sind unwirksam.
Brasilianische Versicherer werden daher auch künftig keine offiziellen englischen Fassungen ihrer Versicherungsbedingungen herausgeben.

Vertragsfreiheit

Das neue Gesetz schränkt die Gestaltungsfreiheit der Versicherer bei der Formulierung ihrer Vertragsbedingungen grundsätzlich nicht ein (Art. 48 §3). Gleichzeitig weist das Gesetz auf die Möglichkeit hin, Standardbedingungen bei der Aufsichtsbehörde zu hinterlegen.

Gerade im Kontext internationaler Versicherungsprogramme bleibt dieser Punkt jedoch noch klärungsbedürftig – vor allem, wie stark sich lokale Policen an die Bedingungen der Master Police orientieren dürfen.

Auslegung von Versicherungsverträgen

Das Gesetz schreibt vor, dass Deckungsausschlüsse und -begrenzungen klar und deutlich hervorzuheben sind. Andernfalls gelten sie als nicht vereinbart (Art. 57). Dieser Grundsatz findet bereits in der brasilianischen Rechtsprechung Anwendung.

Zudem ist bei Unklarheiten bei der Vertragsauslegung grundsätzlich zugunsten des Versicherungsnehmers zu entscheiden – ein klassisches Verbraucherschutzelement, das im brasilianischen Recht weiterhin verankert bleibt.

Prämienzahlung

Die Pflicht zur Prämienzahlung bleibt auch unter dem neuen Gesetz klar geregelt. Die Versicherungsprämie muss direkt vom Versicherungsnehmer über das brasilianische Bankensystem an den Versicherer gezahlt werden (Art. 41 bis 44). Ein Maklerinkasso ist nicht zulässig.

Das Prämieninkasso hat über spezielle, von der Aufsichtsbehörde SUSEP definierte Finanzstrukturen zu erfolgen. Eine direkte Überweisung – sei es aus dem In- oder Ausland – an den Versicherer ist unzulässig, selbst wenn Brasilien dem SWIFT-System angeschlossen ist.

Im Privatkundengeschäft akzeptieren einige Versicherer mittlerweile Kreditkartenzahlungen. Für gewerbliche oder industrielle Risiken gilt dies jedoch nicht.

Kommt es zu einem Zahlungsverzug erlischt der Versicherungsschutz nicht automatisch. Der Versicherer muss den Versicherungsnehmer zuvor mahnen – eine Praxis, die auch von der brasilianischen Rechtsprechung bestätigt wurde.

Vergleichsvereinbarungen

Das neue Gesetz gestattet es Versicherern, Vergleiche mit geschädigten Dritten zu schließen, ohne dass dies als Anerkenntnis einer Haftung des Versicherungsnehmers gewertet wird (Art. 106). Damit entfällt ein bisher bestehendes Verbot, Vergleiche ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers abzuschließen.

Allgemeine Verjährungsfrist

Die allgemeine Verjährungsfrist für Ansprüche des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer beträgt weiterhin ein Jahr. Neu ist jedoch, dass der Beginn dieser Frist auf den Zeitpunkt verlegt wird, an dem der Versicherungsnehmer Kenntnis von der ausdrücklichen und begründeten Leistungsablehnung durch den Versicherers erhält (Art. 126).

Damit weicht das neue Gesetz vom brasilianischen Zivilgesetzbuch ab, das auf das Schadenereignis als Auslöser abstellt. Diese Abweichung ist in der Praxis von großer Bedeutung und bedarf noch weitere Klarstellung.

Das neue Gesetz verzichtet weiterhin auf eine starre Frist zur Meldung eines Versicherungsfalles. Es verwendet stattdessen den Begriff „unverzüglich“ (promptamente) – im Gegensatz zur bisherigen Formulierung „sobald man Kenntnis erlangt“. Diese Anpassung kann erhebliche Auswirkungen auf die Verjährung haben, da die Frist nun erst mit der Ablehnung durch den Versicherer zu laufen beginnt. Eine verspätete Schadenanzeige führt somit nicht automatisch zur Verjährung des Anspruchs.

Offenlegung bei Haftpflichtversicherungen

Eine der wesentlichen Neuerungen bei Schadenfällen besteht in der Verpflichtung des Versicherungsnehmers, betroffene Dritte über das Bestehen und den Inhalt einer Haftpflichtversicherung zu informieren (Art. 86).

Sind mehrere Geschädigte betroffen, kann sich der Versicherer durch Zahlung der vollständigen Entschädigung an einen oder mehrere von ihnen von seiner Leistungspflicht befreien, sofern ihm das Vorhandensein weiterer Geschädigter nicht bekannt ist.

Fazit

  1. Ziel des Gesetzes Nr. 15.040/2024 ist die Vereinheitlichung und Modernisierung des brasilianischen Versicherungsrechts durch Konsolidierung bestehender Vorschriften, Stärkung des Verbraucherschutzes sowie die Klarstellung marktüblicher Praktiken – mit Ausnahme des Gesundheitswesens.
  2. Zahlreiche Fragen bleiben jedoch offen und bedürfen künftig weitere regulatorische Maßnahmen oder gerichtlicher Klärungen.
  3. Das Gesetz richtet sich vor allem auf Standardprodukte wie z. B. Kfz-Versicherungen. Die spezifischen Anforderungen bei Großrisiken wurden bislang nur unzureichend berücksichtigt.

Disclaimer: Dieser Beitrag dient ausschließlich der allgemeinen Information und stellt keine rechtliche Beratung dar. Obwohl die Inhalte mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann keine Gewähr für deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität übernommen werden. Eine individuelle Beratung – insbesondere unter Berücksichtigung des konkreten Einzelfalls – bleibt unerlässlich.